Montag, 30. April 2007

Tag 102: "Kein Geheimnis"

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So, jetzt geht es endlich mal so richtig tief in die Materie.

Der Rahmen ist auseinander, die Achsen sind raus, die Federpakete sind ab, die Reifen sind runter.

Und die Vorderachse liegt zur weiteren Demontage bereit.




Ike-Berlin ist heute mit dabei, um mir beim Schrauben ein bisschen auf die Finger zu sehen und mir mit Rat und Tag zur Seite zu stehen. Ike hat in seiner, wie er zu sagen pflegt, "Sturm- und Drangzeit", einige Landcruiser, Landrover etc. auseinander gerissen, zusammengebaut, zu Schrott gefahren und wieder zusammengebaut und mir kommt es manchmal vor, als könnte er alle Werkstatthandbücher auswendig.

Angefangen bei den Gewindegrößen und Schraubenhärten über die Anzugsmomente bestimmter Schrauben, die richtigen Öle und Fette für bestimmte Bereiche am Fahrzeug bis hin zu den Gewichten einzelner Bauteile und den kleinen Unterschieden innerhalb der einzelnen Baureihen kennt Ike jedes Detail.

Aber Ike tut das mit entspannter Handbewegung ab: "Alles kein Geheimnis". Der Landcruiser wäre so einfach konzipiert und gebaut, dass ich mir keine Sorgen machen bräuchte, hier irgendwo zu scheitern. "Wenn Du fertig bist, kennst Du jede Schraube mit Vor- und Zunamen."

Und neben all dem ist Ike noch eine dufte Type mit unzähligen Stories und Anekdoten auf Lager. Ich freue mich also auf einen lehrreichen und vor allem unterhaltsamen Arbeitstag.

Dann wollen wir also mal.

Um die Achse in die gewünschte Demontageposition zu bringen hab ich mir von Jimmy noch mal den Kran ausgeliehen.




Erst hatten Ike und ich versucht das Ding ohne Kran auf die Böcke zu heben. Keine Chance. Das Ding ist einfach zu schwer. Und wenn man es auf die Füße bekommt: Au Weia!




Also schnell die Ketten um die Achse geschwungen, hoch damit…




…und auf die Böcke abgelegt.




Ein paar Detailaufnahmen im Zusammengebauten Zustand, um die möglichen Problemstellungen beim Zusammenbau zu minimieren.

Draufsicht linke Seite mit Bremsschlauch und Umlenkhebel (?):



Seitliche Draufsicht auf Freilaufnabe, Bremsscheibe und Bremszange:




Blick von der Seite auf die Bremszange:




Noch mal von oben:




Verlauf der Bremsleitung:




Noch mal:




Verlauf der Bremsleitung über das Differenzial:




Weiter…




Und rüber zur rechten Seite:




Hier noch mal das gleiche wie eben:




Und so weiter…




…und…




…sofort…








Für die anstehenden Arbeiten habe ich mir heute Morgen noch schnell ein paar Werkzeuge besorgt.

Einige Körner und Splintentreiber, einen Meißel und eine Montagestange.




Wir beginnen mit dem Entfernen der Freilaufnabe. Laut Ike ist die hier verbaute nicht die Originale verbaut.

Normalerweise sollte man die Freilaufnabe vor dem Entfernen auf "Free" stellen. Denn dann kommt einem das ganze Innenleben nicht entgegen. Kann allerdings sein, dass das nur für die Originalen gilt…

Wie dem auch sei.

Nachdem wir die Schrauben gelöst haben und das Ding




Hier kommt uns allerdings als "Innenleben" lediglich jede Menge "Kaugummi" entgegen. Wie es aussieht hat sich der Dichtungsring entweder komplett aufgelöst oder es wurde beim Verbau irgendeine Dichtungsmasse verwendet, die nicht mit dem Fett in der Nabe klar kam und sich in ein fies klebrige schwarzes "Etwas" verwandelt hat.




Egal. Die Nabenkappe ist ab.

Normalerweise geht das nicht so einfach, da beim Original nicht nur Schrauben, sondern auch noch so konische Einsätze verwendet werden, um den Nabendeckel festzuhalten. Da bedarf es dann einiger beherzter Hammerschläge.

War hier, wie gesagt, allerdings nicht nötig.




Der unter der Nabe liegende Zahnkranz wird von einer Schraube festgehalten.

Die zu lösten ist gar nicht so einfach, da sich der Zahnkranz (und die ganze Achswelle) mit dreht.

Unsere ersten Versuche über das Festhalten der Nabenkappe auf der anderen Seite und den Kardanwellenabgang am Differenzial oder über ein Festklemmen mit dem Montagehebel scheitern.




Mit der Zangen-Wunderwaffe vom neulich geht's dann aber gleich wie geschmiert. Ike war genau so überrascht wie ich, als ich damit die Federbolzen zum Abschrauben der Muttern festgehalten hatte.

Hab daher auch grad noch mal ab nachgeschaut. "SmartGrip" heißt das Ding und ist (wie alle meine Zangen) von Knipex. Die ist wohl gerade erst raus gekommen. Abgefahren, wie es bei etwas vermeintlich so trivialem wie Zangen doch auch solches Innovationspotenzial mit einem wirklich konkreten Nutzen hintendran gibt. Mit ner "normalen" Wasserpumpenzange hätte ich hier keine Chance gehabt.




Nun denn. Die Nabe ist runter und Kappe samt Innenleben und Schrauben werden fein säuberlich in Demontagereihenfolge auf den vorbereiteten OP-Tisch aufgereiht.




Der erste Schritt wäre getan.




Jetzt wechseln wir die Perspektive…




…und wenden uns dem Bremssattel zu:




Hier müssen zunächst die Halterungsfedern und –Bolzen zum Herausnehmen der Bremsbeläge entfernt werden.




Bei den Federn hilft mir der Meißel…




…und bei den Bolzen ein Splintentreiber.




Nachdem Federn und Bolzen entfernt sind können die Bremsbeläge einfach mit der Zange herausgezogen werden.

Jetzt erschließt sich mir auch der Bremsmechanismus.

Eigentlich denkbar logisch und extrem einfach aufgebaut. "Kein Geheimnis".

Im Bremssattel sitzen vier Stahl-Zylinder, die hundertstelmillimetergenau in eingepresste Fassungen eingelassen sind. Die Zylinder sind mit Gummidichtungen abgedichtet, sodass die Bremsflüssigkeit nicht heraustreten kann.

Wird jetzt über die Betätigung des Bremspedals die Bremsflüssigkeit unter Druck gesetzt (ähnlich, wie wenn man eine Spritze mit Wasser auffüllt und beim Versuch das Wasser herauszupressen den Finger vorne drauf hält), werden die Zylinder gleichmäßig nach vorne gepresst. Diese Pressen dann auf die Bremsbeläge, die dann wiederum die Bremsscheibe einklemmen. Fertig.

Das ganze funktioniert natürlich nur, wenn keine Luft in den Leitungen ist. Daher entlüftet man Bremsen ja auch alle Nase lang mal.

Aha! Verstanden. Und wenn man es dann auch noch sieht und sogar auseinanderbaut, erschließt es sich einem komplett.




Na denn. Jetzt wo die Bremsbeläge raus sind und das letzte Stück Bremsleitung abgeschraubt wurde, kann der Bremssattel entfernt werden.




Und so sehen die einzelnen Bestandteile dann aus.

Den Bremssattel werde ich überholen müssen. Das heißt: Dichtungsgummis ab, Stahlzylinder raus, alles schön sauber machen, neue Dichtungen rein, zu das ganze.

Problem wird sein, dass die Zylinder ggfs. fest sitzen und nicht so ohne weiteres rausgenommen werden können. Laut Ike kann man versuchen, die Zylinder über Druckluft auf die Bremsflüssigkeitsöffnung herauszutreiben.

Das machen wir aber nicht heute.




So, wie geht es weiter?

Erstmal ein Bierchen.




So. Jetzt wartet hier die berühmte erste 55er Sicherungsmutter auf uns.

Da ich eine so große Nuss leider noch nicht im Sortiment habe, hilft auch hier wieder der Meißel. Den kann ich wunderbar an einer Macke in der Mutter ansetzen, die mir einer der Vorbesitzer hinterlassen hat.

Um die Mutter los zu bekommen, muss erstmal ein Sicherungsblech dahinter umgebogen werden.

Dahinter kommt nach noch mal eine zweite 55er Mutter, dann eine große "Unterlegscheibe" und dann das erste Radlager.

All das muss entfernt werden, um den ganzen Block mit der Bremsscheibe rauszunehmen.

In dieser Stelle sei erwähnt, dass es auf den Seiten vom Buschtaxi zwei super Dokumentationen zum Thema Achsüberholung gibt. Die hatte ich mir im Vorfeld auch schon mal reingezogen und werde sie vorm Zusammenbau sicherlich auch noch mal eindringlich studieren.

Es handelt sich dabei einmal um den "Achsenworkshop von Wolli" und "Zerlegung der Freilaufnabe von Daniel Pols" .




Und die Bremsleitung muss noch entfernt werden.




Hier (auf dem Photo leider nicht zu erkennen) sitzt eine Sicherungsspange, die ab muss, um die Bremsleitung abzuschrauben.




Da die Bremsschläuche sich mit der Zeit von innen auflösen, mit Dreck vollsetzen und von außen auflösen, werde ich die auf jeden Fall erneuern.






Die nächste Etappe ist jedenfalls erreicht.

Schluck Bier. Weiter.




Jetzt will noch die "Blende", die hinter der Bremsscheibe sitzt, entfernt werden.

Die Schrauben hier sitzen so dermaßen fest, dass ich schon denke, ich müsste den Schlagschrauber holen.

Da zeigt mir Ike erstmal, was man in so einem Fall erstmal ausprobiert.

Und zwar die dicke Ratsche ansetzen und dann mit dem Handballen einen festen Schlag drauf geben.

Klack. Lose.

Das ganze acht mal und alle Schrauben lassen sich locker rausdrehen.




Freier Blick auf das Führungsrohr, auf dem die Achswelle, bzw. das "Birfield" (gibt's dafür auch eine deutsche Bezeichnung? Warum heißt das Ding "Birfield") sitzt:






Mit einem leichten Schlag mit dem Gummihammer löst sich das Führrohr...




…und Birfield samt Achswelle können einfach aus der Achse herausgezogen werden:




Das ist mal eine Achswelle, was? Genau genommen die erste, die ich zu Gesicht bekomme. Aber laut Ike sind die beim BJ besonders massiv, während sie bei Jeeps oder Landrovern wohl etwas sparsamer dimensioniert ist.






Wir werfen einen Blick in ein total verschmoddertes "Achsschenkellager". Wie von anderen Achsüberholungsprojekten bekannt haben sich hier das Achsschenkelfett und das Differenzialöl ordentlich miteinander vermischt. Schuld daran ist ein undichter Simmering, wegen dem man die hier gerade durchgeführte Aktion häufiger auch mal außerhalb einer Restauration durchführen muss.




Es geht voran.




Jetzt werden hinterm Achsschenkellager die Blende und einige vergammelte Dichtungen entfernt…




Diese wurden hier laut Ike noch nie gewechselt. Das erkennt man daran, dass die Original-Dichtungen geschlossene "Kreise" sind, während die Ersatzdichtungen eine Öffnung haben.

Denn laut Ike lassen sich die geschlossenen Dichtungen gar nicht über den Achsenkopf drüber ziehen und er hat keine Ahnung, wie das ab Werk gemacht wurde.




Die neuen, offenen Dichtungen, sollte man laut Ike mit der Öffnung nach unten einbauen, damit, wenn mal Wasser etc. dran kommt, dieses nach unten besser abfließen kann.




Das gilt für mehrere Dichtungsringe, die hier verbaut sind.




Jetzt gilt es noch den Lenkarm und die Achsshenkellagerführungen so wie das Achsschenkelgehäuse zu entfernen.

Am Gehäuse sind zwei zunächst sinnlos erscheinende Schrauben eingeschraubt. Die sind dazu dar, als Anschlagspunkt beim Lenken zu dienen, damit man nicht "übersteuert":




Die Entfernung von Lenkarm und Achsschenkelführung war gar nicht so einfach. Hier ist nämlich genau die Art von konischen Einsätzen verbaut, die bei der Freilaufnabe gefehlt haben.

Leider haben wir so konzentriert gearbeitet, dass wir vergessen haben, entsprechende Bilder zu machen. Die reiche ich dann nach, wenn wir die rechte Seite auseinanderbauen.




Zwischen den Führungen und dem Achsschenkelgehäuse sitzen so dünne Blechscheiben. Die müssen auf jeden Fall auch da bleiben und dürfen nicht versehentlich mit denen eines anderen Lagers vertauscht werden.

Hier wurde ab Werk genau vermessen, wie der Abstand sein musste etc. Bei einigen Überholsätzen sind solche Plättchen in unterschiedlichen Stärken enthalten, mit denen man sich das so einstellen kann, wie es sein soll, wenn man die alten Plättchen nicht hat. Fragt mich aber nicht, wie das geht. Ist, glaube ich gar nicht trivial. Also ausnahmsweise mal nicht "kein Geheimnis".




Die Einsätze, in denen die Achsschenkellager laufen haben tiefe Riefen. Will heißen: Schrott. Die müssen auf jeden Fall erneuert werden, denn so hat der ganze Achsschenkel Spiel, das er eigentlich nicht haben sollte.




Das Achsschenkelgehäuse landet gleich im Teilewascher.




Und der ganze restliche Krempel erstmal auf dem OP-Tisch.




Seite 1 wäre damit auseinander.




Nachdem der ganze Schmodder entfernt ist, strahlt das Achsende fast wie neu. Leider auch nur fast.




Denn was hier mal glänzend chromig war, hat einiges an Korrosion abbekommen.

Das ist, glaube ich, gar nicht gut, oder? Ist die Achse so überhaupt noch zu gebrauchen?

Was sagen die Profis. Ike meinte, es könnte gehen aber die Gefahr bestünde, dass die Dichtungen nicht ordentlich abschließen könnten?

Wäre natürlich extrem ärgerlich, da ich dann eine Ersatzachse bräuchte….

Ein Fass ohne Boden. Nachher ende ich damit, dass ich nicht restauriere, sondern ein komplett neues Auto baue…

Aiaiaiaiai….




Wie dem auch sei. Dem Demontieren folgt erstmal eine ordentliche Teilereinigungssession und nach wenigen Minuten weis ich nicht, was ich ohne den Teilewascher machen würde.

Das Ding funzt ungemein. Selbst der dickste Schmodder ist binnen Sekunden weggespült:




Nach und nach sehen die Teile aus wie neu.








An der Arbeitsstätte hat sich jede Menge verdrecktes (Ike:) "Sexpapier" angehäuft:




Das ist was fürn Sondermüll:




Und auch jede Menge Werkzeug liegt verstreut am Boden herum.




Insbesondere auch die diversen Zangen-Helferlein:




Diese hier (ich nenn sie immer "Papageienschnabel") eignet sich wunderbar, um die aufgeschraubten Enden der Bremsleistungen zu lösen, ohne die Muttern kaputt zu machen. Dazu nimmt man normalerweise "Zündkerzenschraubenschlüssel". Die sehen aus wie ein Ringschlüssel, aus dem ein Stück herausgebrochen ist und mit dem man trotz der Leitungen, die einem Ringschlüssel im Wege wären vernünftig am Schraubenkopf anpacken. Mit einem einfachen Maulschlüssel macht man die Schrauben kaputt. Die sind bei den Bremsleitungen scheinbar aus Prinzip aus relativ weichem Material.

Da ich einen solchen Schlüssel nicht habe, habe ich es mit der Zange versucht. Und es klappte wunderbar. Die ist auch, glaube ich, genau dafür da, superfeste Schrauben abzudrehen, ohne den Kopf kaputt zu machen.

Mir hat sie jedenfalls heute sehr geholfen.




Ebenso der Montagehebel.




Und der bekommt zum Feierabend eine völlig Artfremde Aufgabe:




Ebenso die Hinterachse. Die Reifen werden zu Stühlen umfunktioniert.




Ja. Richtig vermutet. Jetzt gibt's was zu futtern.




Nach (wenn auch nicht so harter) körperlicher Arbeit und ein paar Schluck Bier genau das richtige.






Nächste Woche geht's weiter!!!





P.S. Bzgl. Fahrwerk, Reifen etc. Habe ich mich in der vergangenen Woche aufgrund Eurer Kommentare ein wenig umgetan. Die Recherchen haben mich ganz schön inspiriert… Langsam formt sich in meinem Kopf das Bild, wie der Wagen irgendwann mal aussehen soll…

Dazu später mehr!

Meine Erkenntnis aus den heutigen Arbeiten: Achsschenkel demontieren: Kein Geheimnis.

Ob das wohl beim Zusammenbau so bleibt….?????

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