Sonntag, 20. April 2008

Tag 146: Bilderbuch-Urlaub

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Ist der Kerl schon wieder im Urlaub oder was????

...werdet Ihr vorige Woche gedacht haben.

Der soll arbeiten, verdammt nochmal! Sonst ist die Karre in hundert Jahren noch nicht fertig.

Aber - ein bisschen Ausgleich braucht der Mensch eben doch, und so habe ich mir letzte Woche mal wieder eine kleine Auszeit gegönnt...

Sonne, Meer, Bambushütten, kaltes Bier, Palmen, Strand, Hula Hula Mädels...




Doch was ist das?

Wo ist der Strand?

Wo sind die Bambushütten?

Wo die Hula Hula Mädels????




Bin ich im falschen Film oder was????

Weit und breit nix von Meer, Strand, Bambushütten, Hula Hula Mädels oder sonst was zu sehen. Noch nicht mal die Sonne scheint.

Schnell nochmal in den Reiseunterlagen nachschauen.




Neeeein! Ich hab das Kreuzchen an der falschen Stelle gemacht.

Nicht bei "Bilderbuch-Urlaub", sondern bei "BILDUNGS-Urlaub".

Welche Macht hat mich denn da geritten? War das vielleicht sogar noch freiwillig? Wo ist das Fieberthermometer???

Im Urlaub die Schulbank drücken. Wo gibt's denn so was???




Es ist Montagmorgen, der erste Urlaubstag, 7:45 Uhr (um die Zeit schläft selbst mein Kleiner noch) und ich stehe auf dem Hof der Fahrzeugakademie Schweinfurt.

Vor mir liegen vier Tage Intensiv Seminar "Autoelektrik" aus dem Kurskanon "Fachkraft für die Instandsetzung und Restauration von Oldtimerkarosserien".

Der Kerl verzettelt sich doch ohnehin schon genug, was macht der jetzt so ein Seminar? Und dann noch nicht mal eins, was mit Blech, Schweißen, Motor oder sonst was zu tun hat, sondern

A U T O E L E K T R I K ? ? ?

Kann bitte jemand endlich mal den Verzettelalarm auslösen?

Nach dem Motto "das Unangenehmste zuerst" und im Hinblick auf das Mammut-Verzettel-Nebenprojekt "Kabelbaumrestauration", das ich vor gut anderthalb Jahren um die Weihnachtszeit herum ja schon mal angefangen hatte, habe ich mich entschlossen, hier jetzt mal ein bisschen fundiertes Wissen aufzubauen. Nur so, kann ich hier irgendwann zwischendurch mal ein bisschen Gas geben und das Ding ohne große Hindernisse fertig zu machen.

Und so wie sich die Kursbeschreibung in der Fahrzeugakademie-Broschüre liest, werde ich hier genau das lernen, was ich dazu benötige. Wenn nicht sogar noch etwas mehr...

Da opfere ich gerne mal ein paar (Rest-)Urlaubstage.

Let the Holiday begin!




Und der fängt dann doch gleich recht angenehm an.

Mit nem ordentlichen Pott Kaffe mit richtig schön Crema oben drauf.

Ahhh, wie das duftet!




Der Kurs besteht aus zehn bunt durcheinander gewürfelten Teilnehmern unterschiedlichster Couleur und einer kurzen Vorstellungsrunde. Nette Bande.

Und dann geht es auch gleich schon los.

Erstmal ein paar Stunden Theorie.

Volt, Ampere, Ohm, Watt.

In Physik (wie auch in unzähligen anderen Schulfächern) hatte ich zu Schulzeiten nicht wirklich aufgepasst und dementsprechend wenig bis gar nix mitgenommen. Vorkenntnisse also gleich Null.

Und da ist es jetzt umso spannender zu sehen, wie einen das ganze Zeug auf einmal interessieren kann, und vor allem, wie man anfängt es zu verstehen, wenn man sich denn dafür interessiert.

Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen, kommt hier jetzt der Kurzauszug zur grauen Stromtheorie mit der vom Schulungsleiter benutzten Wasserschlauch-Metapher:

Wenn ich einen Wasserschlauch habe, der am aufgedrehten Wasserhahn hängt und den Schlauch vorne zu halte, dann ist der Druck, mit dem das Wasser in den Schlauch drängt die Spannung. Gemessen in Volt. Das Wasser, bzw. die Wassermenge, die hinten raus kommt, wenn ich das Wasser durchfließen lasse, ist der "Strom", gemessen in Ampere. Wenn jemand auf den Wasserschlauch tritt und daher weniger Wasser aus dem Schlauch rauskommt, also vorhin noch, obwohl die gleiche Menge durchfließen könnte und hinten das Wasser mit dem gleichen Druck (der gleichen Spannung) ansteht, dann ist die begrenzende Kraft der Widerstand, gemessen in Ohm.

Also:

Die Spannung messen wir in Volt, den Strom in Ampere und den Widerstand in Ohm.




Gleich darauf bekommen wir auch gleich gezeigt, WOMIT man misst.

Mit dem Multimeter.

Ein Kasten mit mehreren Knöpfen, einem Display, einem großen Drehschalter und Buchsen zum Kabel einstöpseln.

Wenn ich mich an den Kabelbaum mache werden wird das Ding (ist natürlich auf der Einkaufsliste) sicherlich nochmal auftauchen und wir können uns damit nochmal genauer beschäftigen. Aber die meisten hier werden sicherlich auch jetzt schon wissen, wie man damit umgeht und was man damit alles anstellen (bzw. messen) kann.




Auch interessant ist dieses Teil zum Ströme (Ampere) Messen. Nein, das ist keine elektronische Fußfessel.




Nachdem wir uns also eine Weile mit der Theorie und dem Multimeter beschäftigt haben, geht es über in die Praxis.

Aus den Schränken werden große Schwarze Stromsteckkoffer hervorgeholt.




Auf denen stecken wir diverse Stromkreise zusammen.

Lampe ohne Schalter,

Lampe mit Schalter,

zwei Lampen in Reihe geschaltet,

ein Relais zwischengeschaltet,

Stromkreis mit Widerstand und ohne Widerstand,

und zwei Lampen mit Widerstand parallel geschaltet.

So wie auf dem nachstehenden Bild. Und bei jeder Schaltung haben wir gemessen: Spannungsabfall, Amperezahl etc.

Das hat schon mal richtig Spaß gemacht.

Vor allem ist man dadurch zumindest mit dem Sitznachbarn schon mal mehr ins Gespräch gekommen.




Nach der Mittagspause in der Kantine (das Essen ist gar nicht mal so gut – aber auch nicht wirklich schlecht) ging's dann weiter mit dem, wofür ich eigentlich hergekommen war.

Praxis.




Für Jeden stand eine eigene Lötstation bereit...






...und diverse Zangen, Kabel etc.




Nachdem uns der Schulungsmeister Thomas Geiß vorgemacht hat, was zu tun ist, nimmt sich jeder einen Satz Zangen, Kabelstücke, Schrumpfschlauchstücke, Kabelschuhe etc. und dann baue ich mein erstes Stück Kabelstrang.

Hier sieht man die Zangen und davor die zum "Kabelstrang" gehörigen Einzelteile.




Erstmal wird das Kabelstück mit der multifunktionalen Crimpzange an beiden Enden abisoliert.




Ca. 5 Millimeter pro Seite.




Dann wird ein Kabelschuh vorne in die Crimpzange eingeschoben.




Hier nochmal in Draufsicht:




Das Kabel wird bis zum Anschlag eingeschoben und ich drücke fest zu. Das ganze nochmal eine kleinere Zangenöffnung weiter.




Jetzt wird der abisolierte Teil des Kabels von den umgekrimpten "Kabelschuhklemmen" (die Vokabeln en detail konnte ich mir nicht alle merken, daher hier wieder mal ein Fantasiebegriff) fest gehalten.




Die gleiche Prozedur wird nochmal mit dem hinteren Teil des Kabelschuhs wiederholt, der ein Stück des noch isolierten Kabels festklemmt.




Nach zwei Mal Crimpen sieht das dann so aus:




Jetzt kommt der Lötkolben zum Einsatz. Erstmal wird der Teil des Kabelschuhs, der das abisolierte Kabelende hält, ein wenig mit der Lötkolbenspitze angewärmt.

Dann wird ein Stück Lötzinn aufgeschmolzen und so auf dem vorderen Teil verteilt, dass der Lötzinn einsickert. Vorsicht ist geboten, dass das Ganze nicht zu heiß wird und das noch isolierte eingecrimpte Kabelstück nicht anschmurgelt. Dann war alles für die Katz.




Hier hat's gut funktioniert (nachdem ich vorher einige weniger erfolgreiche Versuche durchgeführt hatte).




Nachdem die eine Seite fertig vercrimpt und verlötet ist, wird ein Stück Schrumpfschlauch aufgeschoben.




So:




Kabelende samt Schrumpfschlauch werden (wie von Euch hier ja auch schon öfter mal beschrieben) über's Feuerzeug (Mist, ich Depp habe das Rauchen nach einem guten Dreivierteljahr wieder angefangen) gehalten und zieht sich zusammen.




So sieht es anschließend aus:




Alle Schritte nochmal auf der anderen Seite wiederholen und fertig ist der "Kabelstrang".

Sehr cool. Das ist eigentlich genau das, was ich hier lernen wollte. Dann kann ich ja eigentlich wider nach Hause fahren. Ist ja gar nicht so schwer.




Aber es gibt ja auch noch andere Konstellationen.

Zum Beispiel die, dass ein Kabel V-mäßig auf mehrere Stränge verzweigt.

Dafür wird das eine Kabel ein Stück weit aufisoliert und das zu verzweigende abisoliert.




Man kann dann die Kabel vorsichtig aufdröseln und ineinander schieben.




Das ganze wird mit der Crimpzange fest gehalten...




...und verlötet.




Schrumpfschlauch drauf. Fertig.

Sehr cool!




Cool ist auch diese Zange. Natürlich musste ich fragen, wofür dieser Drahtbügel vorne am Zangenmaul ist: Damit die Kabel beim abzwicken nicht durch die Gegend fliegen, sondern festgehalten werden. Da haben die Leute von Knipex scheinbar mal wieder mitgedacht.




Nach gut anderthalb Stunden hat sich jeder eine kleine Auswahl Kabel zusammengebaut.




Besonders nützlich sind diese je zwei Meter langen Kabel, die künftig als Messkabel für's (anzuschaffende) Multimeter herhalten können, wenn man mal von vorne am Auto bis nach hinten messen möchte. Da reichen die Kabel, die üblicherweise im Lieferumfang enthalten sind von der Länge her nicht aus.

Und auch zum Thema "fliegende Sicherung" und weitere Dinge hat uns der Schulungsleiter noch einige nützliche Tricks verraten.

Das hat richtig Spaß gemacht.





Mit dem neu erworbenen Wissen und den gebastelten Kabeln geht es dann, oder war es schon am zweiten Tag, an die Beleuchtungswand. Hier schließen wir die Beleuchtungsanlage eines Opel Corsa (oder so) nur anhand des Schaltplans binnen einer halben Stunde zusammen. Ich bin begeistert.

Mit dem, was ich am ersten Tag gelernt habe, komm ich hier schon ganz schön weit. Sehr abgefahren.

Sogar das Anschließen von Nebelleuchte, Lichthupe, Standlicht und Nummernschildbeleuchtung haut hin.




Dann, und jetzt weiss ich überhaupt nicht mehr, ob wir uns an Tag 1, 2 oder 3 befinden (Normalerweise berichtet das Landcruiser Experiment ja immer tageweise), beschäftigen wir uns mit der Zündanlage.

Hier bringe ich aufgrund der Tatsache, dass es sich bei meinem Cruiser um einen Diesel handelt, der, das liegt in der Natur der Sache, wie ich erfahre, keine Zündung oder sonstiges hat, keinerlei Vorkenntnisse mit.




Aber nachdem wir uns in der Theorie ausgiebig mit Zündspulen, Magnetfeldern, Induktion, Zusammenbrechenden Magnetfeldern, Zündverteilern, Unterbrechern, Kondensatoren, Zündkabeln, früher Zündung, später Zündung, Fliehkräften, Zündkerzen und sonstigem beschäftigt haben, kommt so viel Licht ins Dunkel, dass selbst ich es hinbekomme einen Zündverteiler komplett zu zerlegen, neu zusammenzubauen und eine komplette Zündanlage anzuschließen. Hammer!!!!




Ein unglaubliches Gefühl.




Und extrem Spaß macht es obendrein.

Nicht nur, weil die Zündfunken nur so sprühen.




Selbst der Umgang mit dem "Prüfstand" geht einem auf einmal locker von der Hand.




Aber wir sind noch nicht am Ende angelangt.

Das Thema Autobatterie wird von vorne bis hinten durchgekauft.

Wie die aufgebaut ist, wie die funktioniert, wie man erkennt, ob ne Batterie voll oder leer ist, wie man leere Batterien auflädt, wie man Batterien anschließt, wann man Batterien in Reihe und wann parallel schaltet und so weiter und so weiter.




Besonders interessant und anschaulich ist eine der vielen Anekdoten des Schulungsleiters, der mal mitbekommen hat, wie einem der Monteure bei der Bundeswehr beim Wechseln einer der acht (!)Batterien am Leopard 2 ein 13er Schlüssel aus der Brusttasche auf die Batteriepole gefallen ist und da bei 400 Ampere (sehr sehr viel) binnen einer halben Sekunde verdampft ist.



Auch die Themengebiete Anlasser und Lichtmaschine werden ausgiebigst behandelt. Auch hier, wie während des gesamten Kurses, gespickt mit persönlichen Erfahrungen, Anekdoten und vielen interessanten Kniffen seitens Thomas Geiß.

Und das nicht nur in der Theorie,...




sondern auch komplett in der Praxis.

Sowohl Anlasser (siehe Bild), als auch Lichtmaschine werden von jedem von uns komplett zerlegt und wieder zusammengebaut. Wir lernen, was man wo beachten muss, was man wie überholt oder austauscht, wie das Ganze funktioniert etc. Supergeil!




Nur die Wechselstrom-Lichtmaschine (und mein Wagen hat so eine) kommt leider etwas zu kurz. Aber wie ich erfahre kann man die auch nur begrenzt überholen, und muss ggfs. eine komplette Komponente ersetzen.




Monsieur Geiß bewahrt trotz einer Million unbedarfter Fragen (nicht nur von mir) stets die Ruhe und führt mit guter Laune und viel Humor durchs Kursprogramm.




Mit nach Hause nehmen wir neben viel Wissen einen umfangreichen Satz Kursunterlage, Literaturempfehlungen, netten neuen Kontakten ein Zertifikat zur erfolgreichen Teilnahme. Und das kommt demnächst an meine Werkstattwand.




Insbesondere einer der Kataloge, die zwischendurch mal durch die Reihen gegangen sind, hat's mir extrem angetan.




Denn hierin meine ich, neben diversen Batterieklemmen




und -kabeln




Insbesondere die Stecker




und Kabelschuhe zu entdecken, die ich für meinen Cruiser brauche.

Ein gefundenes Fressen für meine Einkaufsliste.




Und auch diverse weitere Dinge wie Heißluftföhn,




Schrumpfschläuche,




Isolierbänder,




Steckerisolierungen, Kabel etc. finden sich im Katalog.

Die Optimale Bezugsquelle für meine Kabelbaumarbeiten.




Und auch das eine oder andere interessante Werkstattdetail nehme ich als Inspiration mit.

So zum Beispiel diese an einer Kette abgehangene Mehrfachsteckdose.

Die wäre doch optimal für meine Werkstatt!!!!

Oder?????




Und spätestens jetzt dürfte der Zeitpunkt gekommen sein, um die Reißleine zu ziehen und endgültig den längst überfälligen Verzettelalarm auszulösen.

Aber ob der Knopf funktioniert sei mal dahin gestellt.... ;-)





Auf jeden Fall bin ich voll geladen mit neuen Erkenntnissen, umfangreichem Wissensschatz, sympathischen Bekanntschaften und einem neuen Niveau an Motivation von Schweinfurt nach Hause gefahren.

Dieser Kurs hat sich für mich persönlich und für die anstehenden Arbeiten definitiv gelohnt und ich werde der Fahrzeugakademie definitiv noch weitere Besuche abstatten.

Mal schaun, wann ich das Gelernte denn auch endlich anwenden werde. Denn nächste Woche werde ich bestimmt noch nicht dazu kommen, meinen Kabelbaum nachzubauen. Denn dafür müsste ich erstmal unseren neuen Keller aufräumen.

Und das will ich jetzt erstmal keinem von Euch zumuten... ;-)

Eine produktive und hochmotivierte Arbeitswoche wünscht:

Elektrotsuppari

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